Bäume für ein besseres Klima

Baumpaten gesucht!

Im Hopsitalviertel werden neue Baumstandorte geschaffen. Die Maßnahmen konzentrieren sich auf die folgenden Straßen: Hohe Straße, Lange Straße, Gymnasiumstraße, Firnhaberstraße, Heustraße und Kienestraße. Dafür suchen die Stadt und das Forum Hospitalviertel Baum-Paten.

Mit eindringlichen Worten begrüßte der Vorsitzende des Vereins Forum Hospitalviertel, Eberhard Schwarz, die Teilnehmer der Veranstaltung „Neue Bäume fürs Hospitalviertel“: „Sehenden Auges sind wir in den vergangenen Jahren in eine umfassende geopolitische Krise geraten, deren Spannungen wir auch im Alltagsleben unserer Stadt spüren. Zukunftsängste und das Misstrauen gegenüber Minderheiten und Fremden sind gewachsen; soziale und ethnische Gruppen, Religionen und Konfessionen begegnen einander mit zunehmenden Vorbehalten.“ Weiter erklärte Schwarz: „Viele machen sich Sorgen um die Zukunft unserer Wirtschaft und um unseren Wohlstand; allein die hohe Polizeipräsenz in unserem Quartier zur Sicherung der Synagoge und der Jüdischen Gemeinde, zeigt, dass das Zusammenleben in unserer Welt nicht einfacher geworden ist.“ Neben Anwohnern und interessierten Bürgern lauschten auch Veronika  Kienzle, die Bezirksvorsteherin Mitte, sowie Claudia Dugandzic vom Gartenbauamt und Claudia Fuhrich mit Astrid Schmelzer (beide Stadtplanungsamt) den Worten von Eberhard Schwarz.

 Manch einer mag sich in diesem Moment gefragt haben, was diese gesellschaftliche Betrachtung mit der Pflanzung von gut 30 neuen Bäumen im Hospitalviertel zu tun hat. Die Antwort auf die stille Frage lieferte Schwarz prompt mit einer längeren Ausführung: „Für uns als Quartiersinitiative geht es dabei nicht nur – ökologisch gesehen – um das Mikroklima in der Stadtmitte; es geht nicht nur um die Aufenthaltsqualität im Hospitalviertel oder um eine punktuelle Verschönerungsaktion im Zug des Umbaus der Stadt. Für uns ist diese Baumpflanzung eine Chance, niederschwellig, auf der Ebene der persönlichen Begegnungen im Nahbereich und in der Nachbarschaft, Beziehungen zu stärken, den Gemeinsinn zu wecken und langfristig dem öffentlichen Raum ein menschenfreundliches Gesicht zu geben. Friedensarbeit, Heilung von sozialen Verwerfungen, Veränderung von Urteilen und Vorurteilen beginnen in der persönlichen Begegnung, also im Nahbereich. Dazu sollen die Pflanzung der Bäume und alle damit verbundenen Aktionen einen Beitrag leisten.“

Wie schwer es in der heutigen Zeit ist, Projekte gleich jedweder Art umzusetzen, zeigte Claudia Dugandzic in ihrer Präsentation. Denn nicht nur Mega-Projekte, wie S21 oder die Renovierung der Staatsoper, erfordern extreme Abstimmungsprozesse. Konkret: Für das Projekt „Neue Bäume“ müssen das Amt für Stadtplanung und Wohnen, das Tiefbauamt, die Stadtentwässerung, das Amt für öffentliche Ordnung, das Referat Strategische Planung und Nachhaltige Mobilität sowie Stuttgarter Netze, Netze BW und die Telekom ihre jeweilige und ausführliche Zustimmung geben.

Daher ist auch noch nicht klar, wann genau die Bäume gepflanzt werden. Sicher ist nur, dass die Pflanzung im Jahr 2025 realisiert wird. „Spätestens Ende 2025 soll es gelingen“, sagte Claudia Dugandzic. Zudem erläuterte sie, dass die Pflanzungen in mehreren Bauabschnitten umgesetzt werden, damit der Verkehrsfluss im Viertel während der Arbeiten gewährleistet sei. Die Gesamtkosten der Baumaßnahme belaufen sich (einschließlich Nebenkosten) auf etwa 650 000 Euro brutto, was pro Baumquartier rund 19 000 Euro entspricht. Es seien Straßenbäume von solchen Arten ausgewählt worden, mit denen man in anderen deutschen Städten gute Erfahrungen gemacht habe, versicherte Dugandzic.

Ein zentrales Ziel der Maßnahmen sei die Schaffung von Flächen, die größere Mengen an Wasser aufnehmen und wieder abgeben können, meinte die Expertin des Gartenbauamtes. Das aufgefangene Regenwasser werde so gereinigt und dem Regenwasserkreislauf zugeführt. Das Schwammstadt-Prinzip böte laut Dugandzic eine innovative Lösung: „Den Bäumen wird unterhalb der befestigten Oberfläche in miteinander verbundenen Schotterkörpern mehr Raum gegeben. Das Substrat unter der Oberfläche funktioniert wie ein Schwamm und speichert Wasser, das den Wurzeln zur Verfügung steht und somit den Wasserabfluss bei Starkregen dämpft.“ Umgesetzt werde die Planung durch das Landschaftsarchitekturbüro Freiraum+Landschaft aus Nürtingen.

Je nach der Breite der jeweiligen Straße habe man Bäume ausgesucht, deren Kronen dem zur Verfügung stehenden Raum entsprächen, so Dugandzic. Jede betroffene Straße erhalte so ihren eigenen Charakter. Im Einzelnen seien geplant:

·         Hohe Straße: Fünf Brabanter Silberlinden. Dies ist eine Baumart, die sich aufgrund des breiten Wuchses gut für die gegebene Fläche eignet.

·         Heu- und Kienestraße: Mehrere Säulen-Ulmen.

·         Lange Straße (angrenzend an Leuschnerstraße): Drei Säulen-Hainbuchen. Aufgrund der engen Straßenverhältnisse wurde hier ein säulenförmiger Wuchs gewählt.

·         Firnhaberstraße (Jugendgeländespielplatz): elf Kegel-Feldahorn-Bäume. Diese Baumart bietet besonders im Herbst attraktive Farbspiele.

·         Gymnasiumstraße: Vier Chinesische Wildbirnen. Diese Auswahl sorgt für eine bunte Mischung.

·         Gymnasiumstraße (angrenzend an Leuschnerstraße): Zwei Purpurerlen.

Dafür müssen im Quartier 20 der insgesamt 80 Parkplätze weichen.

 

Baumpatenschaften werden von der Stadt grundsätzlich begrüßt. Baumpaten können sich um die Bewässerung der Bäume kümmern, die Baumbeete säubern, Beschädigungen melden und Hundehalter bitten, die Hinterlassenschaften ihrer Tiere zu entsorgen. Um eine Baumpatenschaft kann man sich auf der Homepage von Pro Stuttgart (www.prostuttgart.de) bewerben.

 

Die anschließende Diskussion im großen Saal des CVJM zeigte auch, dass die Baumpflanzungen durchweg begrüßt werden. Aus dem Hospitalviertel könne Quasi ein Naherholungsgebiet werden, lautete ein Wortbeitrag. Eine Teilnehmerin, die Erfahrungen mit Baumpatenschaften hat, wies auch darauf hin, „dass man so leicht seine Nachbarn kennenlernen kann“, was zu einem besseren Miteinander führe. Allerdings benötigten laut der erfahrenen Baumpatin aus dem Stuttgarter Westen junge Bäume wöchentlich jeweils etwa 100 Liter Wasser. Das sei auch ein Kostenfaktor, denn gesammeltes Regenwasser stehe im Quartier eher nicht zur Verfügung. Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle will daher prüfen, ob der Bezirksbeirat helfen könne.

Ein weiteres Problem konnte in der Diskussion identifiziert werden: Im Herbst könnte auch das herabfallende Laub zu einer Gefahrenquelle werden. Es stelle sich die Frage, ob für dessen Beseitigung die Stadt oder die Anwohner zuständig seien. Ein weiterer Vorschlag aus der Runde: Um Hunde von den Baumbeeten fernzuhalten, könnte man dort niedrige, dekorative Metallzäune anbringen, wie sie etwa aus Frankreich bekannt seien. Problematisch könnte es für die Parkplätze im Bereich der Linden werden, da diese Läuse anzögen und deren Ausscheidungen hässliche und nicht leicht zu beseitigende Spuren auf den Autos hinterlassen.

Angesichts des Wegfalls von 20 Parkplätzen wurde aus dem Teilnehmerkreis darauf hingewiesen, dass die Parksituation für Anwohner im Quartier sich dadurch verschärfe. Denn der Anwohner-Parkausweis koste jährlich über 400 Euro, ohne dass man dafür die Garantie auf einen Parkplatz habe. Ebenso wichtig war den Teilnehmern, rechtzeitig vor Beginn der Pflanzungen informiert zu werden, um Gelegenheit zu haben, das Thema der Baumpatenschaften insbesondere bei den Schulen ins Gespräch zu bringen.

Und trotz aller (lösbaren) Probleme – in einem Punkt waren sich am Ende der Veranstaltung alle einig: Diese Maßnahmen stellen einen wichtigen Schritt zur Verbesserung des urbanen Klimas sowie zur Förderung der Biodiversität und nachhaltigen Stadtentwicklung in Stuttgart-Mitte dar. Ganz abgesehen davon, dass die gemeinsame Sorge und Pflege der Bäume die Nachbarschaft im Quartier stärkt und das soziale Klima verbessert.  

Frühjahrsempfang

Mission lautet: Stadt und Quartier positiv beeinflussen

Der Freiheits- und -Demokratiegedanke stehen beim Frühjahrsempfang mit zahlreichen Vertretern der Politik, Kultur, Kirche, Wirtschaft und Bürgern der Stadtgesellschaft im Mittelpunkt.

 

Nie war er so wertvoll wie heute: der Frühjahrsempfang des Forum Hospitalviertel e. V. „Denn alle Bereiche des Quartiers und des Stadtlebens sowie des Gemeinwesens sind heute versammelt“, registrierte Forum-Vorstand Eberhard Schwarz mit Freude bei seiner Begrüßungsrede auf der Bühne des Renitenz-Theaters. Das war aus Sicht des Pfarrers im Ruhestand aus einem Grund besonders wichtig: „Wir leben in Zeiten, in denen die Gesellschaft auseinanderzubrechen droht.“

War der Frühjahrsempfang also bisher schon wichtig, um eine informelle und gesellige Umgebung zu schaffen, in der Menschen aus verschiedenen Bereichen, wie Politik, Wirtschaft, Bildung und Kultur, zusammenkommen können. So war er angesichts des zur Sorge veranlassenden Sittenbildes von Eberhard Schwarz in diesen Tagen besonders wichtig: Denn der Empfang ermöglichte den Austausch von Ideen und die Knüpfung neuer Verbindungen von Menschen, denen das Wohl und Weh der Stadt am Herzen liegt. Ein Ausschnitt der Gästeliste mag das veranschaulichen. Gekommen waren neben vielen anderen die Bezirksvorsteherin Mitte Veronika Kienzle (Grüne) nebst ihrem Gatten Altstadtrat Michael Kienzle (Grüne), die Stadträte Christoph Ozasek (Klimaliste), Doris Höh (FDP), Jürgen Sauer (CDU), Raphaela Ciblis (Grüne), den Bezirksbeiräten Cornelius Hummel (FDP), Klaus Wenk (CDU), Peter Jagusch (PULS) sowie der FDP-Europakandidatin Dajana Hummel.  

Auch ihnen galt der Dank von Eberhard Schwarz im Namen des Vereins für ihre Unterstützung bei dem Haushaltsantrag zur Förderung der Vereinsarbeit in den kommenden zwei Jahren. Dank und Anerkennung sprach Schwarz aber auch dem Revierleiter Mitte, Jens Rügner aus: „Es ist gut, sie in unserer Nachbarschaft zu wissen.“ Nicht weniger dankbar zeigte sich Schwarz gegenüber Astrid Schmelzer vom Stadtplanungsamt: „Sie haben mit ihren Kollegen viel zur Entwicklung und Aufwertung des Quartiers beigetragen.“ Das Viertel, so Schwarz weiter, ist in seiner Qualität und seinem Ruf zur Quartiersarbeit weit über die Quartiersgrenzen hinausgewachsen. „Das ermutigt uns weiter am Ball zu bleiben“, sagte Schwarz.

Und weil so ein Frühjahrsempfang natürlich auch dazu dient, wichtige Informationen über aktuelle Projekte, Initiativen oder Entwicklungen zu präsentieren, kam Eberhard Schwarz flugs auf das Demokratie-Projekt zu sprechen, bei dem das Forum Hospitalviertel Kooperationspartner der Uni Stuttgart und dem Internationales Zentrum für Kultur- und Technikforschung (IZKT) ist.  Im Rahmen des Projekts kam Schwarz auch auf die Suche nach einem konkreten Ort zu sprechen, „an dem Demokratie sichtbar und erlebbar wird“. Gemeint ist das Leuschnerplätzle, „wo die erste Demokratiebewegung Deutschlands mit Gewalt zerschlagen wurde“.

Nicht nur dort soll laut Dr. Elke Uhl vom IZKT der Geist ihres Projektes wehen: „Wir befassen uns nicht mit Freiheit an sich, sondern wir stellen uns die Frage: Wie sind zukünftige Freiheiten, wie können Sie beschaffen sein?“ Deswegen begeben sich die Studenten dreier Hochschulen der Uni Stuttgart, der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg und der Merz-Akademie ins Jahr 2049. Sie fragen, wie diese alltäglichen Freiheitspraktiken geschaffen sein werden und produzieren spekulative Dokumentarfilme. Wichtig dabei ist, dass diese Filme nicht im stillen Kämmerlein entstehen, sondern im Dialog mit den Bürgern. Das Ziel ist es, dafür eine temporäre Zukunftswerkstatt am Leuschnerplätzle zu schaffen.

Sichtbar und erlebbar zu sein, ist natürlich auch für Theaterleute die Basis für eine gute Arbeit. Im Hospitalviertel hat das der Gastgeber Roland Mahr mit seinem Renitenztheater gefunden. „Wir haben uns hier immer willkommen gefühlt“, sagte der Intendant des Renitenztheaters, der auch Vorstand im Forum Hospitalviertel ist. Und so befruchte man sich bis heute wechselseitig: die Kunst und der Quartiersverein. „Die Frage des Zusammenlebens beschäftigt nicht nur mich persönlich“, sagte Mahr, „sondern wird auch in unseren Produktionen thematisiert.“ Weiter sagte er: „Dazu planen wir ein Herzensprojekt, nämlich unser Festival „Büchse26“, das vom 4. bis 9. Juni stattfinden wird.“  Was einen an diesen Tagen erwarten könnte, zeigte schließlich der renommierte Kabarettist Thilo Seibel. Er fokussierte sich auf die Herausforderung, der aktuellen Weltlage etwas Positives abzugewinnen.

Als Kommunalpolitiker muss man ohnedies immer positiv denken. Denn ohne Gestaltungswillen und die innere Mission, die Stadt positiv zu beeinflussen, würde keiner ein Mandat übernehmen. Was die jeweiligen Mandatsträger antreibt, das gaben sie beim Frühjahrsempfang spontan und ohne Vorbereitung zum Besten, was sie unter Freiheit und Demokratie verstehen:

Jürgen Sauer (CDU): Für mich spielen die Begriffe Freiheit und Demokratie eine ganz zentrale Rolle in unserem Staatswesen. Und natürlich hängen Freiheit und Demokratie zusammen. Ein ganz wichtiger Punkt ist für mich auch, dass man eine freie Meinungsäußerung in Stuttgart im Land Baden-Württemberg und in Deutschland auch in Zukunft äußern kann.“   

Veronika Kienzle (Grüne): „Ja, was bedeutet Freiheit für mich? Die Freiheit bedeutet, dass wir die Freiheit haben, uns zusammenzuschließen, um etwas Gutes auf den Weg zu bringen. Und dass wir weitestgehend die Voraussetzungen haben, dies allen zu ermöglichen. Auch jenen, die vielleicht ein körperliches oder auch geistiges Handicap haben. Es ist gut, dass sie ihre Ideen oder Fähigkeiten mit einbringen können. Freiheit bedeutet aber auch, nein zu sagen, wenn wir meinen, dass etwas nicht in Ordnung ist. Oder wenn wir meinen, dass wir die Regeln neu definieren müssen. Und natürlich dann, wenn wir meinen, dass hier einfach die Freiheit der anderen eingeschränkt wird. Bezogen auf den Verein Forum Hospitalviertel bedeutet das: Ich habe diese Arbeit hier im Quartier seit 20 Jahren immer als eine freie, eine geistig freie Arbeit empfunden. Gerade weil sie in der Gesellschaft verankert ist, weil sie Interreligiös verankert ist. Diese Arbeit beschränkt sich nicht auf eine Religion, sondern sie bezieht alle Religionen und auch alle spirituellen Strömungen, die wir in der Stadt haben, mit ein. Insofern ist hier, auf kleinstem Raum der großen Landeshauptstadt, so viel Entscheidendes passiert, was für mich auch Vorbildcharakter für die gesamte Landeshauptstadt hat.“

Christoph Ozasek (Klimaliste): „Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden. Das heißt, wir müssen die Freiheit schützen. Und immer die Freiheit der anderen im Blick behalten oder sie verteidigen. Mit Jean Jacques Rousseau, dem klassischen liberalen Philosophen, gesprochen, ist Freiheit ein Zustand, der dann da ist, wenn niemand unterdrückt wird. Wenn zum Beispiel die Gesetze für die Mächtigen gemacht sind. Dann ist es keine Demokratie für alle. Ich glaube, da sind wir in einem gefährlichen Entwicklungskorridor weltweit.  Ich mache mir große Sorgen um unsere Demokratie. Wenn ich schaue, wie diese Lichtgestalten, diese Techgiganten, die unermessliches Vermögen aufgehäuft haben, heute Kontrolle ausüben können über Demokratie, dann ist das etwas demokratiegefährdendes. Das muss uns alle beschäftigen. Wenn ich sehe, wie viele Länder weltweit gerade wegdriften in Richtung Autoritarismus und wie die Demokratie als Staatsform tendenziell schwindet, dann muss uns das alle beunruhigen. Durch die starke Konzentration von Vermögen, von politischer Macht in den Händen weniger, geht vieles davon verloren. Und viele Menschen fühlen sich in so einer Demokratie nicht mehr repräsentiert. Deshalb müssen wir Sorge dafür tragen, dass die Stimmen aller gehört werden und nicht nur diejenigen Stimmen der Menschen, die laut schreien und die Macht haben und den Einfluss und die Netzwerke.“

Margarete Schumm (Klimaliste): „Ich mach es genau andersrum, ich beginne beim Individuum. Bei jedem Einzelnen und dessen Freiheit, die nur so weit gehen darf, dass man andere mit seinem Handeln nicht einschränkt. Ich glaube, das ist das, was unsere Gesellschaft braucht. Nämlich dass sich Menschen in einem Quartier begegnen können und in einen Dialog kommen. Wir wollen uns für Orte einsetzen, wo es diese Begegnung gibt. Für eine Stadt, die in ihrer Transformation alle mitnimmt. Wenn wir anfangen, den anderen zu verstehen, zuzuhören, uns zu begegnen, aber auch den Raum zu teilen, miteinander wieder zu teilen, dann können wir Freiheit und Demokratie bewahren. Genau das ist die Basisdemokratie, wenn wir wieder vor Ort im Quartier damit anfangen, miteinander in Verhandlungen zu treten. Und hier im Hospitalviertel ist ein wunderbarer Ort, wo das gut gezeigt wird.“

Raphaela Ciblis (Grüne):Auch bei mir geht der Gedanke sofort an unser Grundgesetz. Es ist wirklich immer wieder ergreifend, denn die Würde des Menschen ist unantastbar. Das ist was, was mir immer wieder Gänsehaut bereitet. Weil es eigentlich alles sagt, und das hat dann auch mit Demokratie zu tun. Mit dem Menschsein. Genau hier setzen wir uns mit unseren Ideen und unseren Programmen ein. Im Mittelpunkt unserer Politik steht daher immer die Menschenwürde und die Freiheit. Das ist unsere Verantwortung, das muss man spüren.“

Doris Höh (FDP): „Freiheit heißt für mich, die Möglichkeit zu haben, mir mein Leben, meine Existenz, mein Umfeld so zu gestalten, wie es mir möglich ist. Freiheit ist auch, sagen zu dürfen, was man denkt. Gerade die jungen Menschen gilt es zu motivieren, diesen Freiheitsgedanken auch zu leben.“  

Im Grunde gehen alle Statements in eine Richtung: Freiheit und Demokratie brauchen ein Forum, auf dem alles immer wieder ausdiskutiert wird. Ein Forum, das   Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit stiftet. In dieser Weise förderte der Frühjahrsempfang das Gefühl der Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit. Und damit hat der Verein seinem Namen „Forum Hospitalviertel“ alle Ehre gemacht. Denn dem Verein ist es gelungen, Menschen zusammenbringen, eine Atmosphäre der Verbundenheit und Solidarität zu schaffen, die dazu beiträgt, Beziehungen zu festigen und den Demokratiegedanken zu stärken.

„Es braucht diesen sozialen Kitt“

Eberhard Schwarz: "Es braucht diesen sozialen Kitt"

Über 20 Jahre Arbeit hat der Verein Forum Hospitalviertel inzwischen im Quartier geleistet. Für Vorstandsmitglied Eberhard Schwarz Anlass, gleichzeitig zurückzublicken und einen Ausblick zu wagen. Beim Blick nach vorn beschäftigt den Pfarrer der Hospitalkirche freilich auch die Frage nach der Förderung der Vereinsarbeit durch die Kommune. Im Hinblick zu den kommenden Haushaltsberatungen sagt er: „Da wir ein sehr kleiner Spieler auf dem großen Feld des Stadthaushalts sind, besteht immer die Gefahr, übersehen zu werden. Daher scheue ich mich nicht, in einer Diskussion darzustellen, dass wir zusammen mit der Politik und den Ämtern konstruktiv über das Thema Stadt nachdenken.  Und wir es immer wieder schaffen, Trendsetter-Themen zu setzen.“   

Herr Schwarz, der Verein Forum Hospitalviertel feierte zuletzt sein 20-jähriges Bestehen. Was ist von diesem Geburtstag am stärksten hängen geblieben?

Dass wir von großen Teilen der Politik – bis hin zur Landtagspräsidentin Muhterem Aras – große Wertschätzung für unsere Arbeit erfahren haben.

Was genau schätzen die verantwortlichen Politiker?

Unsere Impulse, die unsere Projekte in den Bereichen Bürgerbeteiligung und der Quartiersarbeit  in die Stadtgesellschaft
gesetzt haben. Dieses Echo hat uns natürlich sehr gut getan. Aber am wesentlichsten ist eigentlich, dass die Stadt in diesen zwei Jahrzehnten
Menschen gewonnen hat, die politisch aktiv und für Quartiere sozialsensibel geworden sind. Gerade dieses Engagement ist in diesen Tagen ja nicht mehr
selbstverständlich. Aus dieser Perspektive sind bei den Menschen Vertrauen und eine gute Nachbarschaft gewachsen. Und all das ist freilich mit unserer Arbeit verknüpft. Die Leute wissen inzwischen: Wenn das Forum kommt, dann ist das etwas Seriöses und Nachhaltiges.     

Sie nannten Muhterem Aras explizit. Welchen Anteil hat eine andere Frau, nämlich Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle, an der Erfolgsgeschichte des Forums?

Sie hat einen wirklich bedeutenden Anteil, weil sie sich über all die Jahre mit echter Aufmerksamkeit und Wertschätzung an unserer Entwicklung teilgenommen hat. Sie hat viele Projekte unterstützt und hat mitdiskutiert. Man kann fast von einem idealen Verhältnis zwischen Kommunalpolitik und
Beteiligungsinitiative sprechen. Natürlich besteht zwischen der Graswurzeldemokratie des Bezirksbeirates und uns zwangsläufig eine enge
Verbindung. Aber Veronika Kienzle hat diese eindrucksvoll mit ihrer Persönlichkeit geprägt – mit einer großen Freiheit und Unabhängigkeit von den
jeweiligen politischen Belangen.      

Was braucht der öffentliche Raum?

Lassen Sie uns zurückblicken: Aus welchem Antrieb heraus ist der Verein entstanden?

Aus einem ganz banalen Anlass. Es ging um die Sanierung des Hospitalhofs. Damals fragten wir uns, was braucht es denn noch um die Sanierung herum? Denn wenn man eine Immobilie nur von innen her entwickelt, verspielt man unglaublich viele Chancen, die Nachbarschaft mitzunehmen. Schnell wurde dann klar, dass der Hospitalhof mit seiner Bildungsarbeit genau diese Frage schon stellt: Wie verstehen wir die Welt? Bei dieser Arbeit kam sozusagen eine Initialzündung. Uns wurde damals klar, alles was wir als Kirche machen, machen wir auch für die Stadt. 

Was war das erste Projekt?

Wir begannen mit der Frage: Wie können wir den öffentlichen Raum, der damals ganz furchtbar war, wieder attraktiver gestalten. In diesen Tagen wird ein weiteres Sanierungsprojekt, die Hospitalstraße, abgeschlossen. Das Viertel bekommt dadurch und die Arbeiten am Synagogenvorplatz ein weitere attraktive Fläche. 

Was aber ist durch diese Projekte sonst noch entstanden? Was sind bleibende Werte?

Ich habe in dieser Zeit vor allem eines gelernt: Nämlich, dass die Arbeit nie abgeschlossen ist. Ich hätte nie gedacht, dass Bordsteinkanten auch in
Zusammenhang mit Inklusionsthemen stehen können. Viele harte Fakten stehen in Wechselwirkung mit ideellen Werten. Und zuletzt lernten wir auch etwas über das Wesen der Stadt.

Was verstehen Sie darunter?

Dass Stadt ein lebendiger Körper ist, der in steter Veränderung ist. Und wenn man da nicht aufpasst, die Veränderungen nicht positiv begleitet, erlebt man innerhalb von zwei Jahren eine radikale Negativentwicklung von Quartieren. Es braucht daher diesen sozialen Kitt, es braucht die Stimmen, die sagen: Wir wollen uns zusammen entwickeln.     

„Wir brauchen Leute, die anpacken“

Sie nennen es sozialen Kitt. Kitt ist im Fensterbau heute überflüssig. Passt die Symbolik auf die Bereitschaft der Menschen, sich zu engagieren?

Es hat sich tatsächlich etwas verändert. Das Leben ist komplizierter geworden. Jeder Einzelne hat mit seiner Baustelle, seinem Lebensweg, zu tun. Daher haben die Menschen immer weniger Zeit sich zu engagieren. Das andere Phänomen ist, dass Vereine heute nicht mehr als Massenbewegungen funktionieren. Sie brauchen starke Trägergruppen. Es braucht ein paar Leute, die den Karren ziehen und andere temporär und punktuell dazu holen. Langfristig müsste das Ziel sein, Menschen auf Dauer für ihr Habitat sensibel zu machen. Ohne starke Trägergruppen diffundiert alles.

Was bedeutet das für die Gesellschaft?

Dass sie angesichts dieser Entwicklungen mehr denn je solche Menschen und Vereine wie uns braucht, die für Überzeugungen einstehen und aus der Beobachterrolle heraustreten, um anzupacken.     

Was repräsentiert der Verein heute?

Er repräsentiert unter anderem ein gewaltiges Wissensreservoir, eine Idee für soziale Prozesse. Das Forum ist inzwischen eine politische Größe im Spielfeld
der Stadtgesellschaft. Daher wäre es schade, wenn man sich von so einem wesentlichen Spieler auf der untersten Ebene verabschieden würde.   

Das Quartier ist entwickelt, die Institutionen im Viertel haben ihren Platz und funktionieren. Wozu braucht es das Forum Hospitalviertel noch?

Ich glaube schon, dass dies punktuell funktioniert. Aber es braucht eben auch einen institutionellen Imperativ.

Was meinen Sie damit?

Es ist wie bei der Kindererziehung. Man vermittelt immer wieder, dass man nicht alleine auf der Welt lebt, sondern in einem größeren Zusammenhang. Zum Beispiel in einem Quartier. So etwas ergibt sich nicht zwangsläufig aus guten bilateralen Verhältnissen.     

„Wir sind wichtiger Gesprächspartner“

Inzwischen weist das Forum mit seiner Arbeit weit über das Quartier hinaus. Der Verein Leonhardsvorstadt hat unter anderen schon Rat bei Ihnen gesucht. Wie stark ist die Rolle des Quartiersentwicklugs-Experten inzwischen. Und gibt es weitere Beispiele des Wissenstransfers?  

Wir haben tatsächlich immer wieder Anfragen. Richtig toll waren die Gespräche mit den Gästen aus Nazareth oder aus Schweden und der Türkei – Gespräche, zu denen wir über die Bosch-Stiftung und das Amt für Integration der Stadt eingeladen wurden. Diese Gruppen wollten unsere Erfahrungen, wie auf kleinräumiger Ebenen Vernetzung sowie Sozialentwicklung funktioniert, einholen. Aber auch hier in der Stadt sind wir wichtiger Gesprächspartner der Bürgerstiftung, der Stadtteilvernetzer, der Architektenkammer oder dem Verein Leonhardsvorstadt. Wir sind da viel unterwegs. Zuletzt auch bei der Konzeption einer Vereinssatzung für einen muslimischen Begegnungs- und Gebetsraumes.

Es gibt Gedankenspiele die Arbeit des Forums durch Strukturen in der Stadtverwaltung zu ersetzen. Was halten Sie davon?

Darin steckt ein Widerspruch in sich selbst. Weil unser Wissen ein kooperatives und Beteiligungswissen ist. Wenn man dieses Wissen weitergibt, muss man es
partnerschaftlich weitergeben. Top-down funktioniert das nicht. Es ist wie in der Pädagogik: Man muss selbst mit drinstecken, um zu lernen. Demokratie
verändert sich und braucht ständig neue Formen der Beteiligung. Genau das machen wir hier en miniature.    

Haben Sie dennoch die Sorge, dass manche das Forum für verzichtbar erachten?

Ja, das gebe ich offen zu: Ich habe Sorge, weil die Rationalität der Politik im Vierjahresrhythmus läuft. Und da die Leitmedien in der Stadt ihre Aufgabe aufgegeben haben, über politische Meinungsbildungsprozesse zu berichten, sorgt mich das umso mehr.  Wir sehen ja gerade in Frankreich,
wie den Bürgern ein Gesellschaftsentwurf um die Ohren fliegt. Auch die europäische Stadt hat sich verändert. Es ist eine komplexe Mischung aus
lokaler, globaler, digitaler Anwesenheit geworden. Umso dringlicher stellt sich die Frage: Was braucht so eine Stadt, damit sie funktioniert?

Und was braucht Stuttgart?

Es gibt in den großen Metropolen kaum noch Verwurzelung. Nur noch reale Begegnungen schaffen Identität und Verbindung. Daher müssen wir reale Begegnungen schaffen. Im Quartier, in der Stadt. Wir müssen Foren schaffen, wo sich Menschen treffen, austauschen und bestenfalls einbringen. 

In den kommenden Haushaltsberatungen geht es erneut um die Zukunft des Vereins. Gibt es Hinweise, wie sich der Gemeinderat zu einer weiteren Förderung des Forums stellt?

Es gibt zumindest keine negativen Hinweise. Aber das heißt noch nichts, da wir ein sehr kleiner Spieler auf dem großen Feld des Stadthaushalts sind. Da besteht immer die Gefahr, übersehen zu werden. Daher scheue ich mich nicht, in einer Diskussion darzustellen, dass wir zusammen mit der Politik und den Ämtern konstruktiv über das Thema Stadt nachdenken.  Und wir es immer wieder schaffen, Trendsetter-Themen zu setzen. 

„Junge Menschen zum Engagement ermuntern“  

Glauben Sie, Oberbürgermeister Frank Nopper weiß um die Bedeutung des Vereins?

Ich hoffe es. Wichtig ist es, dass ein paar Leute in seinem Umfeld von uns und unserer Arbeit wissen. 

Was ist Ihre Vision?

Wenn es uns gelingt, das Thema Subsidiarität, das Zusammenspiel von Zivilgesellschaft und Stadt noch stärker in den Mittelpunkt zu rücken, wäre das eine gute Sache. Und wenn es weiterhin gelingt, die Expertise der Wissenschaft miteinzubinden, dann wäre das ein Weg in die Zukunft.  Natürlich wäre es schön, wenn wir auch mehr junge Menschen zum Engagement ermuntern könnten.  

Stichwort Jubiläum: Nach 20 Jahren kommen 25 Jahre. Gibt es schon Pläne für diesen Geburtstag?

Es gibt in England die Initiative Coinstreet, die mich sehr beindruckt. Die haben tolle Arbeit in der sozialen Quartiersarbeit geleistet.
Aber von den Früchten dieser Arbeit weiß dort fast keiner mehr. Keiner weiß, wem sie die Quartiersentwicklung zu verdanken haben. Da brauchen wir auch eine evaluative und historische Wahrnehmung unser Arbeit. Wir brauchen ein Gedächtnis. Daher wäre es schön, wenn wir zum 25-Jährigen eine Publikation
erstellen könnten, die unsere Arbeit und die Entwicklung des Hospitalviertels fixiert.

Das Gespräch führte Martin Haar