Einweihung Hospitalstraße

"Heilung einer zerissenen Stadtsituation"

Kleines Fest, große Wirkung. Großes Fest, noch größere
Wirkung. So feierte das Forum Hospitalviertel mit Mitgliedern und Freunden
zuletzt per Mini-Hocketse den vorläufigen Abschluss der Bauarbeiten im
Sanierungsgebiet. Und im Jahr 2025 wird groß gefeiert. Dann nämlich soll der
Synagogenvorplatz fertig sein – „das Herzstück dieser Umgestaltung“, wie es Martin
Holch vom Stadtplanungsamt nannte. Das verbindende Element bei allen Festen ist
jedoch das, was sich das Forum auf die Fahnen geschrieben hat: Menschen
zusammenbringen, gemeinsam im Sinne des Viertels agieren. Dieser Geist war auch
bei der Mini-Hocketse vor dem Rupert-Mayer-Haus zu spüren, zu der die Stadt
Stuttgart und das Forum Hospitalviertel eingeladen hatte.

Gekommen sind tatsächlich wieder viele Menschen aus verschiedenen
Bereichen. Zuvorderst auch die Bauleute der Firma Julius Bach, die den ersten Sanierungsabschnitt
vollendet hatte. Aber auch die Stadtverwaltung inklusive der Bezirksvorsteherin
Mitte, Veronika Kienzle, oder Bezirksbeirat Wolfgang Kaemmer (Grüne) und Monika
Renninger vom Hospitalhof sowie Elke Uhl von der Universität Stuttgart. Nicht
zuletzt war die jüdische Gemeinde durch Susanne Jakubowski und Lars Neuberger
vertreten.

Alle genossen nicht nur die nachbarschaftliche Atmosphäre bei
Speis und Trank, sie wurden freilich auch mit geistiger Nahrung versorgt. Wer
versteht sich darauf besser als Pfarrer und Forum-Vorstand Eberhard Schwarz. „Wir
haben es hier mit der Heiligung einer zerrissenen Stadtsituation zu tun. Wir
sind Schritt für Schritt dabei, dieses Viertel zu reparieren“, sagte Schwarz in
seiner Begrüßung. Gleichzeit nannte er die Beteiligung aller an dieser Arbeit
einen „therapeutischen Prozess“ fürs Viertel und seine Menschen. Konkret meint
er damit, das Miteinander-Unterwegs-Sein, die Stärkung der Nachbarschaft und
das gegenseitige Wahrnehmen.  

Den geschichtlichen Kontext stellte anschließend Martin
Holch her: „Auslöser für das Projekt war ursprünglich die Erkenntnis, dass wir
für den Bereich vor der Synagoge unbedingt etwas machen müssen. Das hat auch die
Israelitische Religionsgemeinschaft so gesehen, und auch das Forum
Hospitalviertel. Denn das Straßenbild entsprach in keiner Weise der Bedeutung,
die dieser Ort für die Stadt hat.“ Dann aber stellte sich im Jahr 2015 laut
Holch die Frage: „Wie muss man mit diesem geschichtlich so schwerwiegenden oder
auch schwer beladenen Stück Stuttgart umgehen?“ Die Antwort lieferte ein kleiner
Planungswettbewerb für die Umgestaltung: „Expressionistisch und aufgesplittert.
Hübsch und beschaulich.“ Im Preisgericht saßen damals auch das Forum
Hospitalviertel und die israelitische Religionsgemeinschaft. Gewonnen hat
schließlich der Architekt Joseph Abiry. „Aber ich will dessen Vorschlag nicht
vorgreifen“, sagte Martin Holch abschließend nicht ohne Humor, „2025 können wir
dann den Platz direkt vor der Synagoge einweihen. Ich sage dann in zwei Jahren
das Gleiche von heute nochmal, das haben Sie bis dahin vergessen.“

 

Neuer Verein Muslimischer Begegnungs- und Gebetsraum gegründet


Im Hospitalhof atmet gelebte Interreligiösität

Es ist gegründet! Am 14. Juni 2023 fand im Hospitalhof die Gründungssitzung des Vereins Muslimischer Begegnungs- und Gebetsraum Stuttgart statt. 22 Gründungsmitglieder hatten sich versammelt. Es war der Höhepunkt eines mehrjährigen Prozesses, der von der Landeshauptstadt Stuttgart – Abteilung Integrationspolitik- und dem Forum Hospitalviertel e.V. begleitet wurde.

Eines vorweg: Es war eine harmonische Veranstaltung in angenehmer Atmosphäre im Hospitalhof und dessen Rosengarten. Und obwohl nun erst der formale Akt der Gründung vollzogen ist, atmete dieser Tag bereits eine gelebte Interreligiösität. Das wurde 15 Minuten vor dem Beginn der Sitzung deutlich. Christoph Hölscher, Vorstand des Forums, wurde von den muslimischen Freunden gebeten, einen Raum zum Gebet zur Verfügung zu stellen. Man wolle niemanden stören, meinten die Teilnehmer respektvoll. „Da habe ich die Hospitalkirche angeboten“, sagt Hölscher, „wenn es für Sie kein Problem sei. War es nicht. Im Gegenteil. Und dann haben fast 20 Moslems und Muslima in der Kirche ihr Gebet verrichtet. Gott wird es nicht gestört haben und ich denke, das durfte ich, ist ja auch meine Kirche.“

Zum Hintergrund: In der Stuttgarter Stadtmitte wohnen und arbeiten zahlreiche Muslime. Stuttgart ist auch Ziel muslimischer Besucher aus aller Welt. Bei vielen von ihnen besteht das Bedürfnis, ihre Religion auch im Zentrum Stuttgarts zu leben und sich mit Angehörigen anderer Religionen auszutauschen. Es gibt zwar an etlichen Orten in Stuttgart Moscheen, Versammlungsstätten und muslimische Gebetsräume. Diese liegen aber nicht im Stadtzentrum oder stehen nicht für jeden Angehörigen des Islam offen. Verschiedene muslimische Gruppen vermissen daher in der Stuttgarter Innenstadt einen Ort der kulturellen und interreligiösen Begegnung, des Austauschs und der Religionsausübung. Für die Zivilgesellschaft kann es ein wichtiger Ort der Begegnung und ein Schaufenster muslimischen Lebens in Stuttgart sein.

Dabei kam das Hospitalviertel in den Fokus. Denn Architekturstudierende der Universität Stuttgart hatten im Jahr 2019 im Rahmen einer Abschlussprüfung die Aufgabe, Pläne und Modelle eines solchen muslimischen Begegnungs- und Gebetsraums zu entwerfen und dabei ein bestimmtes topographisch anspruchsvolles Grundstück im Hospitalviertel gedanklich als Bauplatz zugrunde zu legen. In der Folgezeit haben sich Vertreterinnen und Vertreter verschiedener muslimischer Gruppen auf der Suche nach Räumlichkeiten für Konzeptionsbesprechungen an das Forum Hospitalviertel gewandt und durch Vermittlung von Eberhard Schwarz mehrmals einen Saal im Hospitalhof zur Verfügung gestellt bekommen. Eberhard Schwarz und Christoph Hölscher haben an den Sitzungen beratend teilgenommen. „In den 20 Jahren des Bestehens unseres Vereins haben wir viele Erfahrungen gesammelt in Fragen der Kooperation mit verschiedensten Akteuren und sind gerne bereit, unser Wissen mit Initiativen zu teilen, die das Ziel der Gemeinnützigkeit haben“, sagt Schwarz.

Das Hospitalviertel beheimatet – historisch gewachsen – unterschiedliche christliche Gemeinschaften und konfessionelle Einrichtungen und ist mit dem Ort der Synagoge Zentrum der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs. Von daher ist der Gedanke, hier auch einen muslimischen Begegnungs- und Gebetsraum zu schaffen, auf den ersten Blick nahe liegend. Er kann zur Verständigung und zum besseren gegenseitigen Verständnis der Religionen beitragen, ein Ziel, dem sich auch das Forum Hospitalviertel e.V. verpflichtet sieht.

Zweck des nun gegründeten Vereins ist die Förderung der muslimischen Religionsausübung und des interreligiösen Austauschs. Hierfür soll ein Ort der deutschsprachigen Begegnung, des Austauschs und des gegenseitigen Verständnisses geschaffen und die Sichtbarkeit des muslimischen Lebens in Stuttgart in seiner ganzen Vielfalt gefördert werden. Außerdem soll die Begegnung im interreligiösen Sinne zwischen allen Weltreligionen und im intermuslimischen Sinne zwischen allen unterschiedlichen Lehren und Strömungen des Islams im Mittelpunkt stehen.

Die am 14. Juni 2023 beschlossene Satzung ist wegen der Anerkennung der Gemeinnützigkeit mit dem Finanzamt im Vorfeld abgestimmt worden. Sie wird dem Registergericht vorgelegt und der Verein wird dann als solcher eingetragen (e.V).

Das ist der Anfang der eigentlichen Arbeit: die Suche nach finanzieller Förderung, die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten, deren Ausgestaltung und insbesondere deren Nutzung im Sinne des Vereinszwecks.

„Wie ich gehört habe, ist die Initiative in Deutschland einzigartig“, sagt „Geburtshelfer“ Hölscher nicht ohne Stolz: „Angehörige unterschiedlicher Strömungen des Islams schaffen gemeinsam einen Ort, der allen Muslimen zum Gebet offen steht und dem friedlichen Gedankenaustausch über alle Religionsgrenzen hinweg dient.“

Synagogenvorplatz wird 2025 fertig

Der Vorstand des Vereins Forum Hospitalviertel lässt sich von Vertretern des Stadtplanungamts und des Tiefbauamts den Baufortschritt erklären.
Der 2015 eingeweihte Synagogenplatz
Ein historisches Foto der Synagoge vor ihrer Zerstörung.

Stadt schließt einen Teil des Sanierungsgebietes ab

Auf Plätzen werden Geschichten geschrieben und Demokratie gelebt, denkt man nur an die Agora im antiken Griechenland zurück. Umso verständlicher ist es, dass viele Menschen, Gruppen im Hospitalviertel, ja auch die Stadt, der Fertigstellung des Synagogenvorplatzes samt Hospitalstraße voller Ungeduld entgegenblicken. Allerdings ist in dieser Sache weiterhin Geduld gefragt, wie eine Mitarbeiterin des Stadtplanungsamtes bei der jüngsten Anliegerversammlung im Treffpunkt Rotebühlplatz erklärte: „Es wird wahrscheinlich Mai 2025 bis zur endgültigen Fertigstellung.“ Erst dann wird bei diesem Projekt, über das bereits seit 2015 gesprochen wird, der Schlussstein gesetzt. Genauer gesagt: Es sind zwölf Schlusssteine, die als Kunstplatten die zwölf Stämme Israels darstellen.

Die Verzögerung bis ins Jahr 2025 hat einen einzigen Grund. Es liegt an dem ehemaligen GWG-Haus in der Hospitalstraße 33. Die Sanierung des Gebäudes ist voraussichtlich erst in zwei Jahren abgeschlossen. Bis dahin werden die Flächen, die für die Kunstplatten vorgesehen sind, mit einem Interimsbelag versiegelt. Zu feiern gibt es dennoch bald etwas. Und zwar die Vollendung des städtebaulichen Sanierungsgebiet Hospitalstraße samt dem Hospitalplatz und der angrenzenden Straßen. Dazu wird nach Fertigstellung die Hospitalstraße für den Durchgangsverkehr gesperrt. Versenkbare Poller erlauben dann nur noch Rettungs- und Einsatzfahrzeugen oder der Müllabfuhr die Durchfahrt. Diese Arbeiten sollen Ende Mai 2023 abgeschlossen sein und mit einer Quartiershocketse gefeiert werden.

Insgesamt werden 40 Bäume gepflanzt

Dann wird sich das Sanierungsgebiet in einer völlig neuen Anmutung präsentieren. Mit dem Beginn im Herbst dieses Jahres werden dort insgesamt 40 Bäume gepflanzt. Die Bäume stehen unter anderem für den neuen Charakter der Straße und des Platzes. Vor der Synagoge wird es nicht nur verkehrsberuhigt, es wird lebhaft. „Die Straße wird deutlich grüner werden und durch die breiteren Gehwege mit Aufenthaltsbereichen ein Raum zum Dableiben“, verspricht die Verwaltungsangestellte. Dazu will auch die vhs beitragen, die immer noch hofft, in das Gebäude mit der Hausnummer 33 einziehen zu können. Aus Sicht von vhs-Direktorin Dagmar Mikasch-Köthner entstünde mit dem Einzug eine Symbiose zwischen der Bildungseinrichtung und dem Synagogenvorplatz: „Es wäre ein Kern von Bildung sowie Interreligiösität. Von der verbindenden Kultur könnten Impulse in die ganze Stadt ausgehen.“

Dies ist nur eine von vielen Erwartungen an diesen besonderen Ort. „Durch den Abschluss der Arbeiten“, so die Verwaltungsangestellte des Stadtplanungsamtes, „wird der Synagogenvorplatz bildhaft. Denn keiner weiß doch so richtig, wo die Synagoge ist.“ Durch die Neu- und Umgestaltung entsteht laut der Stadtplanerin auch eine Verbindungsachse. Natürlich hat auch die Israeltische Gemeinde besondere Erwartungen an diesen Platz, der vorher nur Straße war.

Die IRGW-Vorstandssprecherin Barbara Traub meinte anlässlich der Einweihung des Synagogenplatzes im Jahr 2018: „Wir hoffen, dass die Stuttgarter Bürger künftig nicht mehr nur wissen, dass es in der Stadt eine Synagoge gibt, sondern dass sie auch wissen, wo genau die Stuttgarter Synagoge steht. Mit unserem Synagogenplatz wird unsere Gemeinde viel stärker als bisher ins Bewusstsein der nichtjüdischen Bürger rücken. Nicht mehr nur als jüdische Menschen, sondern auch als jüdische Gemeinde werden wir künftig stärker wahrgenommen werden. Wahrgenommen als Teil dieses Landes. Als Teil dieser Stadt.“

„Hier entsteht etwas Bedeutendes“

 

Ins gleiche Horn stößt Eberhard Schwarz, Vorstandsmitglied des Vereins Forum Hospitalviertel: „Begegnung findet nicht auf unseren Schreibtischen oder in unseren Köpfen statt. Es ist immer wieder der Alltag und der öffentliche Raum, der Menschen zueinander führt. Deshalb sind die Neugestaltung des Synagogenvorplatzes und das bessere Sichtbarwerden jüdischen Lebens in Stuttgart eine wunderbare Initiative.“ Aus Sicht des City-Pfarrers „stärkt es die gute Nachbarschaft im Quartier, wertet das Hospitalviertel auf und schafft einen starken repräsentativen Ort jüdischen Lebens und des Begegnens in der Landeshauptstadt“. Denn Geschichte sei nicht nur Geschehenes, sondern auch Geschichtetes, so Schwarz: „Dies gilt auch für diesen Boden im Hospitalviertel. Hier entsteht etwas von Bedeutung für die Stadt.“

 

Bleibt die Frage nach der Sicherheit. Schon jetzt wird der Synagogenplatz und die Synagoge durch eine starke Polizeipräsenz gesichert. Wie lässt sich das antisemitische Bedrohungspotenzial mit der geplanten Belebung des Vorplatzes vereinbaren. Susanne Jakubowski aus dem Vorstand der IRGW hofft, dass durch die Poller eine Beruhigung eintritt. Damit müsse es lediglich an den hohen jüdischen Feiertragen eine starke Polizeipräsenz geben. Jakubowski könnte zudem ein kleines Bistro mit einem koscheren Angebot im Haus Hospitalstraße 25 vorstellen. „Visionen haben wir viele“, sagte sie und sprach dem Vorstand des Forum Hospitalviertel e.V., Eberhard Schwarz, aus dem Herzen. Auch er macht sich allerlei Gedanken über die Wirkung und die Möglichkeiten dieses neuen Platzes. Unter dem Brennglas Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft planen Schwarz und der Verein Forum Hospitalviertel eine gesellschaftliche Debatte zur Wirkung, der Nutzung und der Lösung von etwaigen Problemen des neuen Ortes anzustoßen.

 

Am Gelingen des Prozesses hat indes keiner Zweifel. Auch Projektleiter Frank Hüttner vom Tiefbauamt nicht. „Die Sache wird gut“, rief er den Anliegern des neuen Synagogenvorplatzes voller Überzeugung zu und ergänzte: „Ich freue mich schon auf das Fest zur Einweihung.“ 

Neuer Leiter der Geschäftsstelle

Zum 1. März hat Martin Haar die Leitung unserer Geschäftsstelle übernommen. Zuvor war Haar 27 Jahre bei der Stuttgarter Zeitung/Stuttgarter Nachrichten in der Sport- und Lokalredaktion tätig. „Durch meine Berichterstattung als Reporter im Lokalen habe ich die Arbeit des Vereins Forum Hospitalviertel schätzen gelernt“, sagt Haar, „daher bin ich stolz und dankbar, dass ich meine Erfahrungen nun in die für die Stadtgesellschaft und das Quartier so wichtige Arbeit des Forums einbringen kann.“  Vorstand Eberhard Schwarz ist froh, dass die zweimonatige Vakanz in der Geschäftsstelle nun beendet ist. „Wir freuen uns, in Martin Haar einen profunden Kenner der Stadt, der Stadtgesellschaft und natürlich des Hospitalviertels gefunden haben. Zudem haben wir die Hoffnung, dass er mit seiner journalistischen und medialen Kompetenz die wichtige Arbeit des Forums noch stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken kann.“ Die Mitglieder und Freunde des Vereins ermutigt Schwarz ohne Zögern auf den neuen Leiter der Geschäftsstelle mit Anregungen oder Fragen zuzugehen. Zu erreichen ist der Geschäftsstellenleiter per E-Mail (haar@forum-hospitalviertel.de) oder dienstags in Präsenz zwischen (10 und 16 Uhr) in der Hospitalstraße 27.