Baumpaten gesucht!

Im Hopsitalviertel werden neue Baumstandorte geschaffen. Die Maßnahmen konzentrieren sich auf die folgenden Straßen: Hohe Straße, Lange Straße, Gymnasiumstraße, Firnhaberstraße, Heustraße und Kienestraße. Dafür suchen die Stadt und das Forum Hospitalviertel Baum-Paten.

Mit eindringlichen Worten begrüßte der Vorsitzende des Vereins Forum Hospitalviertel, Eberhard Schwarz, die Teilnehmer der Veranstaltung „Neue Bäume fürs Hospitalviertel“: „Sehenden Auges sind wir in den vergangenen Jahren in eine umfassende geopolitische Krise geraten, deren Spannungen wir auch im Alltagsleben unserer Stadt spüren. Zukunftsängste und das Misstrauen gegenüber Minderheiten und Fremden sind gewachsen; soziale und ethnische Gruppen, Religionen und Konfessionen begegnen einander mit zunehmenden Vorbehalten.“ Weiter erklärte Schwarz: „Viele machen sich Sorgen um die Zukunft unserer Wirtschaft und um unseren Wohlstand; allein die hohe Polizeipräsenz in unserem Quartier zur Sicherung der Synagoge und der Jüdischen Gemeinde, zeigt, dass das Zusammenleben in unserer Welt nicht einfacher geworden ist.“ Neben Anwohnern und interessierten Bürgern lauschten auch Veronika  Kienzle, die Bezirksvorsteherin Mitte, sowie Claudia Dugandzic vom Gartenbauamt und Claudia Fuhrich mit Astrid Schmelzer (beide Stadtplanungsamt) den Worten von Eberhard Schwarz.

 Manch einer mag sich in diesem Moment gefragt haben, was diese gesellschaftliche Betrachtung mit der Pflanzung von gut 30 neuen Bäumen im Hospitalviertel zu tun hat. Die Antwort auf die stille Frage lieferte Schwarz prompt mit einer längeren Ausführung: „Für uns als Quartiersinitiative geht es dabei nicht nur – ökologisch gesehen – um das Mikroklima in der Stadtmitte; es geht nicht nur um die Aufenthaltsqualität im Hospitalviertel oder um eine punktuelle Verschönerungsaktion im Zug des Umbaus der Stadt. Für uns ist diese Baumpflanzung eine Chance, niederschwellig, auf der Ebene der persönlichen Begegnungen im Nahbereich und in der Nachbarschaft, Beziehungen zu stärken, den Gemeinsinn zu wecken und langfristig dem öffentlichen Raum ein menschenfreundliches Gesicht zu geben. Friedensarbeit, Heilung von sozialen Verwerfungen, Veränderung von Urteilen und Vorurteilen beginnen in der persönlichen Begegnung, also im Nahbereich. Dazu sollen die Pflanzung der Bäume und alle damit verbundenen Aktionen einen Beitrag leisten.“

Wie schwer es in der heutigen Zeit ist, Projekte gleich jedweder Art umzusetzen, zeigte Claudia Dugandzic in ihrer Präsentation. Denn nicht nur Mega-Projekte, wie S21 oder die Renovierung der Staatsoper, erfordern extreme Abstimmungsprozesse. Konkret: Für das Projekt „Neue Bäume“ müssen das Amt für Stadtplanung und Wohnen, das Tiefbauamt, die Stadtentwässerung, das Amt für öffentliche Ordnung, das Referat Strategische Planung und Nachhaltige Mobilität sowie Stuttgarter Netze, Netze BW und die Telekom ihre jeweilige und ausführliche Zustimmung geben.

Daher ist auch noch nicht klar, wann genau die Bäume gepflanzt werden. Sicher ist nur, dass die Pflanzung im Jahr 2025 realisiert wird. „Spätestens Ende 2025 soll es gelingen“, sagte Claudia Dugandzic. Zudem erläuterte sie, dass die Pflanzungen in mehreren Bauabschnitten umgesetzt werden, damit der Verkehrsfluss im Viertel während der Arbeiten gewährleistet sei. Die Gesamtkosten der Baumaßnahme belaufen sich (einschließlich Nebenkosten) auf etwa 650 000 Euro brutto, was pro Baumquartier rund 19 000 Euro entspricht. Es seien Straßenbäume von solchen Arten ausgewählt worden, mit denen man in anderen deutschen Städten gute Erfahrungen gemacht habe, versicherte Dugandzic.

Ein zentrales Ziel der Maßnahmen sei die Schaffung von Flächen, die größere Mengen an Wasser aufnehmen und wieder abgeben können, meinte die Expertin des Gartenbauamtes. Das aufgefangene Regenwasser werde so gereinigt und dem Regenwasserkreislauf zugeführt. Das Schwammstadt-Prinzip böte laut Dugandzic eine innovative Lösung: „Den Bäumen wird unterhalb der befestigten Oberfläche in miteinander verbundenen Schotterkörpern mehr Raum gegeben. Das Substrat unter der Oberfläche funktioniert wie ein Schwamm und speichert Wasser, das den Wurzeln zur Verfügung steht und somit den Wasserabfluss bei Starkregen dämpft.“ Umgesetzt werde die Planung durch das Landschaftsarchitekturbüro Freiraum+Landschaft aus Nürtingen.

Je nach der Breite der jeweiligen Straße habe man Bäume ausgesucht, deren Kronen dem zur Verfügung stehenden Raum entsprächen, so Dugandzic. Jede betroffene Straße erhalte so ihren eigenen Charakter. Im Einzelnen seien geplant:

·         Hohe Straße: Fünf Brabanter Silberlinden. Dies ist eine Baumart, die sich aufgrund des breiten Wuchses gut für die gegebene Fläche eignet.

·         Heu- und Kienestraße: Mehrere Säulen-Ulmen.

·         Lange Straße (angrenzend an Leuschnerstraße): Drei Säulen-Hainbuchen. Aufgrund der engen Straßenverhältnisse wurde hier ein säulenförmiger Wuchs gewählt.

·         Firnhaberstraße (Jugendgeländespielplatz): elf Kegel-Feldahorn-Bäume. Diese Baumart bietet besonders im Herbst attraktive Farbspiele.

·         Gymnasiumstraße: Vier Chinesische Wildbirnen. Diese Auswahl sorgt für eine bunte Mischung.

·         Gymnasiumstraße (angrenzend an Leuschnerstraße): Zwei Purpurerlen.

Dafür müssen im Quartier 20 der insgesamt 80 Parkplätze weichen.

 

Baumpatenschaften werden von der Stadt grundsätzlich begrüßt. Baumpaten können sich um die Bewässerung der Bäume kümmern, die Baumbeete säubern, Beschädigungen melden und Hundehalter bitten, die Hinterlassenschaften ihrer Tiere zu entsorgen. Um eine Baumpatenschaft kann man sich auf der Homepage von Pro Stuttgart (www.prostuttgart.de) bewerben.

 

Die anschließende Diskussion im großen Saal des CVJM zeigte auch, dass die Baumpflanzungen durchweg begrüßt werden. Aus dem Hospitalviertel könne Quasi ein Naherholungsgebiet werden, lautete ein Wortbeitrag. Eine Teilnehmerin, die Erfahrungen mit Baumpatenschaften hat, wies auch darauf hin, „dass man so leicht seine Nachbarn kennenlernen kann“, was zu einem besseren Miteinander führe. Allerdings benötigten laut der erfahrenen Baumpatin aus dem Stuttgarter Westen junge Bäume wöchentlich jeweils etwa 100 Liter Wasser. Das sei auch ein Kostenfaktor, denn gesammeltes Regenwasser stehe im Quartier eher nicht zur Verfügung. Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle will daher prüfen, ob der Bezirksbeirat helfen könne.

Ein weiteres Problem konnte in der Diskussion identifiziert werden: Im Herbst könnte auch das herabfallende Laub zu einer Gefahrenquelle werden. Es stelle sich die Frage, ob für dessen Beseitigung die Stadt oder die Anwohner zuständig seien. Ein weiterer Vorschlag aus der Runde: Um Hunde von den Baumbeeten fernzuhalten, könnte man dort niedrige, dekorative Metallzäune anbringen, wie sie etwa aus Frankreich bekannt seien. Problematisch könnte es für die Parkplätze im Bereich der Linden werden, da diese Läuse anzögen und deren Ausscheidungen hässliche und nicht leicht zu beseitigende Spuren auf den Autos hinterlassen.

Angesichts des Wegfalls von 20 Parkplätzen wurde aus dem Teilnehmerkreis darauf hingewiesen, dass die Parksituation für Anwohner im Quartier sich dadurch verschärfe. Denn der Anwohner-Parkausweis koste jährlich über 400 Euro, ohne dass man dafür die Garantie auf einen Parkplatz habe. Ebenso wichtig war den Teilnehmern, rechtzeitig vor Beginn der Pflanzungen informiert zu werden, um Gelegenheit zu haben, das Thema der Baumpatenschaften insbesondere bei den Schulen ins Gespräch zu bringen.

Und trotz aller (lösbaren) Probleme – in einem Punkt waren sich am Ende der Veranstaltung alle einig: Diese Maßnahmen stellen einen wichtigen Schritt zur Verbesserung des urbanen Klimas sowie zur Förderung der Biodiversität und nachhaltigen Stadtentwicklung in Stuttgart-Mitte dar. Ganz abgesehen davon, dass die gemeinsame Sorge und Pflege der Bäume die Nachbarschaft im Quartier stärkt und das soziale Klima verbessert.